Dienstag, 4. August 2015

Nachgefragt


Interview mit Frau Pointecker vom Verlag ohneohren


Heute darf ich euch in einem Interview den Verlag „ohneohren“ vorstellen. Der Verlag konnte mich durch seine sehr interessanten und etwas anderen Themen für sich begeistern. Besonders positiv ist er mir auch durch seinen Kontakt zur Leserschaft aufgefallen. Frau Pointecker war so nett und hat meinen „Fragenkatalog“ noch um 3 Uhr nachts (!) beantwortet. Ihre Antworten waren für mich sehr interessant und haben mich einmal mehr für den Verlag „ohneohren“ begeistern können.
Ich wünsche Euch ganz viel Spaß mit dem nun folgenden Interview. :)


Die Verlegerin: Frau Ingrid Pointecker

Hallo Frau Pointecker,

ich freue mich sehr, dass Sie sich die Zeit genommen haben, mir ein paar Fragen zu Ihrem Verlag zu beantworten.

Mögen Sie Ihren Verlag einmal in kurzen Worten vorstellen? Wie ist seine Entstehungsgeschichte?

Der Verlag ohneohren wurde im Sommer 2013 gegründet und beschäftigt sich mit dem Verlegen von Romanen und Kurzgeschichten aus verschiedenen Subgenres der Fantasyliteratur: Low Fantasy, Urban/Dark Fantasy, Steampunk, Science-Fiction, Dystopien und satirischer Fantasy. Im ersten Jahr erschienen sämtliche Werke ausschließlich als E-Books, seit dem Herbst 2014 gibt es auch gedruckte Bücher.

Wie viele Autoren arbeiten derzeit für Ihren Verlag?

Im Moment sind es fünfzehn RomanautorInnen, wobei jene, deren Bücher erst 2016 und teilweise 2017 erscheinen schon mitgezählt wurden. Daneben gibt es noch die recht beeindruckend wirkende Anzahl von derzeit über 60 KurzgeschichtenautorInnen, die durch die regelmäßig stattfindenden Ausschreibungen in kurzer Zeit sehr angewachsen ist.

Die Autoren und die Verlegerin auf dem Messestand in Leipzig. Spaß vorprogrammiert :)



Und wie viele Mitarbeiter beschäftigt Ihr Verlag?

Im Grunde betreibe ich den Verlag allein. Auf dem Weg bisher begleitet haben mich aber meist freiberufliche Multitalente, die mich entweder als HerausgeberInnen, im Grafik- und Illustrationsbereich sowie im Lektorat unterstützen oder unterstützt haben. Dazu kommt mein Lebensgefährte, der mir unter die Arme greift, wenn es nötig sein sollte (zum Beispiel bei Messen oder beim Buchversand).

Einer der "Mitarbeiter": Verlagskater Elminster
 
In welcher Form unterstützen Sie die Projekte Ihrer Autoren mit Werbemaßnahmen?

Die Werbemöglichkeiten kleiner Verlage, das muss man ehrlich sagen, sind eher begrenzt. Trotzdem bemühe ich mich um die regelmäßige Präsenz bei Messen (Leipziger Buchmesse, Buch Berlin, Buchmesseconvent, etc.) und einen direkten Kontakt zur Leserschaft in sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter. Zusätzlich verlose ich immer wieder Rezensionsexemplare oder vernetze mich mit BuchbloggerInnen. Wenn die Zeit es zulässt, was leider selten der Fall ist, gibt es auch einzelne Lesungen an passenden Orten.

Gibt es Schritte bei der Veröffentlichung, der Ihnen vorliegenden Werke, die Sie als eher kleiner Verlag im Gegensatz zu den Riesen der Branche nicht unterstützen können?

Das größte Problem in dieser Hinsicht stellt für mich die Möglichkeit der ernsthaft wahrnehmbaren Präsenz im stationären Buchhandel dar. Gerade die größeren Buchhandelsketten führen nur selten Bücher von kleinen Verlagen. Und selbst die kleineren Buchläden nehmen Werke nur auf, wenn ein gewisser lokaler oder sonstiger Bezug herzustellen ist.
Ein weiterer Veröffentlichungsschritt, der bei den meisten Kleinverlagen wegfällt (auch bei meinem), ist das Entlohnen der AutorInnen mit Vorschüssen (wobei auch die Situation bei großen Verlagen oft keine riesigen Vorschusszahlungen mehr erlaubt).
Aus AutorInnensicht ist der größte Unterschied wohl der, dass man selbst aktiv werden sollte, um das Buch etwas bekannter zu machen. Diese Mithilfe ist kein Musskriterium bei der Auswahl von AutorInnen, dennoch schlägt sich diese Art der Unterstützung fast immer in den Verkaufszahlen der Bücher nieder.

Welche Bedeutung hat – Ihrer Auffassung nach - die Größe eines Verlages für Autoren und Leser?

Meiner Erfahrung nach zählt für die Leserschaft in erster Linie die Qualität der Bücher. Stimmt die in ihren Augen, ist es nicht sehr relevant, wie groß der Verlag ist, aus dem die Bücher kommen. Wobei bei kleinen Verlagen die Chance realistischer ist, auf Messen am Stand auch gemütlich mit AutorInnen zu plaudern, sich Bücher außerhalb der Signierstunden signieren zu lassen und eine persönlichere Betreuung zu erfahren.
Für die AutorInnen selbst ist es, das weiß ich aus eigener Schreiberfahrung, ein riesiger Unterschied. Bei mir im Verlag, wie auch in vielen anderen Kleinverlagen, haben die AutorInnen ein intensives Mitspracherecht bei allen Veröffentlichungsschritten. Ob es die Änderungen am Rohmanuskript sind, die Erstellung des Covers ansteht oder der Klappentext besprochen werden will – nichts geschieht ohne Einverständnis. Für diejenigen, die das möchten, gibt es auch das Vergnügen nach der Arbeit am Manuskript. Insgesamt sind wir ein sehr junges Team, das nach Messen auch gerne gemeinsam feiern geht.

Welche Voraussetzungen muss für Sie ein Manuskript erfüllen, damit es in die engere Auswahl für eine Veröffentlichung gelangt?

Zuallererst muss es zum Verlagsprogramm passen. Bevor ich das Manuskript überhaupt zur Gänze zu Gesicht bekomme, bekomme ich ja ein Exposé und eine Leseprobe. Diese beiden kleineren Dateien sollten mich bereits für das Gesamtmanuskript begeistern können. Die Grundpfeiler, die mich neugierig machen: interessante Geschichte, handwerklich gut geschrieben, konsequent recherchiert und „nicht schon viele Male wiedergekäut worden“.
Für mich immer wichtiger wird allerdings zusätzlich die Einschätzung, ob AutorIn und Verlag persönlich halbwegs kompatibel sind. Wer den ohneohrigen Stand schon einmal auf Messen erlebt hat, dem mag vielleicht aufgefallen sein, dass wir uns durchaus gerne als „verrückter Haufen“ positionieren. Wir haben eine Menge Spaß, aber das ist auch notwendig, wenn man bedenkt, dass ein Roman eine durchschnittliche Entstehungsdauer von etwa einem Jahr (mit Lektorat, etc.) in Anspruch nimmt, in dem die Beteiligten möglichst produktiv zusammenarbeiten sollen.
Hier seht ihr die vielen schönen Bücher, die es beim Verlag "ohneohren" zu entdecken gibt
Gibt es für Sie Tabuthemen?

Jein. Natürlich veröffentliche ich nichts, das sich thematisch außerhalb des gesetzlichen Rahmens bewegt. Auch bei Gewalt (in welcher Form auch immer) muss innerhalb des Manuskripts abgeklärt sein, dass sie nicht verherrlicht, sondern kritisch betrachtet wird (hängt natürlich auch vom Zielgruppenalter ab, wie intensiv das getan werden muss). Worauf ich als Verlegerin sehr allergisch reagiere, ist die Bagatellisierung von Verbrechen, Straftaten, Intoleranz oder sonstigen unangenehmen Themen. Erfolgt eine ernsthafte und kritische Auseinandersetzung mit unbequemen Themen, gibt es damit aber keine Probleme.

Glauben Sie, dass es für Bücher so etwas wie einen absoluten Qualitätsbegriff gibt, und es sich mithin lohnt, dem Leser auch einmal etwas „Neues“ zuzumuten oder verfolgen Sie eher einen kundenorientierten Ansatz und versuchen mit Ihrem Angebot stets die Erwartungen Ihrer Stammleser zu treffen ? 

Der absolute Qualitätsbegriff bewegt sich bei mir eher im formalen Bereich. Bücher sollten möglichst fehlerarm bis fehlerfrei sein (was das Korrektorat und Lektorat angeht). Ein Großteil der Leserschaft schätzt gut lesbar gesetzte Bücher mit passendem Cover.
Thematisch mische ich gerne Risikobereitschaft mit „sicheren Themen“. Auf Experimente kann ich mich nur einlassen, wenn es Bücher gibt, bei denen ich relativ sicher sein kann, dass es LeserInnen dafür gibt. Da es aber bisher eher die sehr experimentellen Dinge waren, die sehr gut funktioniert haben, wage ich mich mittlerweile immer öfter in den Bereich, den andere als zu verrückt befinden.
Und noch viel mehr davon. Unter ihnen "Missverstandene Monster" und "Verschlusssache"

Zum Abschluss hätte ich noch ein paar allgemeine Fragen, deren Antworten mich auch sehr interessieren würden:

Wie gestaltet sich ein normaler Arbeitstag in einem Verlag? Welche Aufgaben müssen erfüllt werden?

Bei dieser Frage musste ich ein wenig schmunzeln. Einen „normalen“ Arbeitstag gibt es so gut wie nie. Verlegerin zu sein macht auch deswegen so viel Spaß, weil die Bandbreite der verschiedenen Aufgaben sehr groß ist. Meistens sieht es aber so, oder zumindest ähnlich aus: Verlagsarbeit beginnt um 13 Uhr (vormittags bin ich selbst Autorin, außerdem arbeite ich am liebsten nachts). Bis 15 Uhr bin ich mit dringenden Mails und Anfragen beschäftigt. Dann verlasse ich das Haus, um die Bestellungen des Vortages zu verschicken. Bis 18 Uhr beschäftigen mich die aktuell laufenden Kleinigkeiten (Klappentexte verfassen, Leserunden betreuen, Rechnungen schreiben, etc.). Ab 20 Uhr geht es ins Lektorat und Korrektorat. Mit kleineren Kaffeepausen hält es mich dort meist bis ca. 2 Uhr morgens. Im Bett werden dann noch für eine halbe Stunde eingereichte Manuskripte gelesen. Die letzte halbe Stunde lese ich dann privat.
[Anmerkung am Rande: Aktuell ist es 3.17 Uhr. Da ich gerade an diesem Interview sitze, ist davon auszugehen, dass heute kein „normaler“ Tag war. Das liegt daran, dass sich gerade zwei Romane in der heißen Schlussphase befinden.]

Durch wie viele Hände geht ein Buch auf seinem Weg vom Schriftsteller bis hin zur Veröffentlichung?

Im Fall meines Verlages: Verlagsleitung (mehrmals) → Lektorat/Korrektorat → TestleserInnen → Druckerei → Auslieferung
Insgesamt eigentlich ziemlich wenige Hände, dadurch, dass ich viele Dinge persönlich erledige.

Können Sie kurz erläutern, wie sich der Preis eines Buches zusammensetzt?

Druckkosten + AutorInnentantiemen + Lektorat/Korrektorat + Puffer für Versand, Werbung, Steuerabgaben, Buchhandelsrabatt, sonstige Kosten + kleine Gewinnspanne für den Verlag (im Idealfall, der nicht immer so aussieht)

Wie sehen Sie das Verhältnis von Ebooks und gebundenen Büchern? Sehen Sie das klassische Taschenbuch gefährdet oder halten sie das Ebook – ganz im Gegenteil – vielleicht sogar für eine gute Ergänzung dazu?

Ich denke, dass beide Bucharten ihre jeweilige praktische Existenzberechtigung in der passenden Situation haben. E-Books sind praktische Reisebücher, wenn ich vor dem Urlaub noch nicht sicher bin, welchen Roman ich lesen möchte. Den Reader werde ich kaum zum Lesen in der Badewanne verwenden, genauso wenig, wie ich den schweren Hardcover-Wälzer eher nicht für die kurze Fahrt mit der U-Bahn einpacken möchte.
 
Vielleicht mögen Sie Ihren Lesern und denen meines Blogs in einem kurzen Schlusswort noch ein paar Worte mit auf dem Weg geben.

Meine AutorInnen haben Geschichten zu erzählen, möchten Sie zum Lachen bringen und auf fantastische Reisen schicken. Versuchen Sie es doch einmal mit einem Buch abseits der ausgetretenen Bestseller-Pfade. Manchmal verbirgt sich Überraschendes hinter noch unbekannten Namen. Wir freuen uns über jedes gelesene Buch, über Fragen zu kleinen und großen Werken und über einen persönlichen Besuch bei Lesungen und Messen.

Ingrid Pointecker an ihrem Stand beim Buchquartier in Wien
Zu guter Letzt möchte ich mich für ihre Mühen bedanken und wünsche Ihnen und Ihrem Verlag alles erdenklich Gute für die Zukunft :)
  
Vielen Dank für die interessanten Fragen und die Gelegenheit, den Verlag vorstellen zu dürfen. Auch Ihnen alles Gute und viele Klicks für Ihren Blog. :)






4 Kommentare:

  1. Hallo,
    ich wusste bis vor kurzem gar nicht, dass es so viele kleine Verlage gibt. Vielen Dank für diesen Post, das war sehr interessant. Ich finde die Fotos auch klasse. Da kann man sich ein viel besseres Bild von dem Verlag und den Autoren machen.
    Liebe Grüße an den Verlagskater. Er sieht aus, als müsste er eine Menge Verantwortung tragen. :-)
    LG
    loralee

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Hi Loralee,
      auf den Verlag "ohneohren" bin ich aufgrund der wirklich sehr interessanten Ausschreibungen für Kurzgeschichtenbände aufmerksam geworden. Ein Blick auf die Verlagsseite lohnt sich. Derzeit werden Geschichten für "Heimchen am Schwert" gesucht. Ich finde das sind Ideen, die mal etwas abseits des Mainstreams sind und mich persönlich ja sehr ansprechen :o)
      Als ich das Foto von Elminster gesehen habe, war ich auch total entzückt. Den möchte man gleich knuddeln und herzen, oder? :o))))))
      Liebe Grüße
      Tanja :o)

      Löschen
  2. Huhu Tanja,
    Ich finde das Interview total interessant und da sind richtig tolle Antworten mit dabei! Von dem Verlag wusste ich vorher ja noch nichts und es ist auch besonders interessant wie so ein "normaler" Tag dort abläuft. Frau Pointecker scheint auch eine echt nette und lustige Person zu sein, ganz besonders das Bild mit der Katze ist genial. Die Unterschrift darunter sogar noch mehr. =))
    Ich finde den Beitrag auf jeden Fall sehr gelungen!! Man hat echt einen guten Einblick bekommen und die Bilder sind eine gelungene Abwechslung.
    Liebe Grüße
    Leni =))

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Huhu Leni,
      das freut mich so sehr, dass dir der Artikel gefallen hat. Ich habe mich auch richtig darüber gefreut, wie schnell und vor allem wie ausführlich und informativ mir Frau Pointecker geantwortet hat. Durch ihre Antworten erhält man mal einen kleinen Einblick in die Arbeit des Verlages. Sehr interessant fand ich :o)))
      Ganz liebe Grüße Tanja :o)

      Löschen

Du möchtest mit mir einen kleinen Kaffeeplausch halten? Prima! Ich freue mich auf einen Austausch mit dir. ☕

Mit Absenden eines Kommentars und beim Setzen eines Hakens für weitere Benachrichtigungen auf Folgekommentare erklärst Du Dich einverstanden, dass personenbezogene Daten (z.B. IP-Adresse, Standort des Logins etc.) abgespeichert und von Google weiterverarbeitet werden.

Weitere Informationen findest Du hier:

Hier findest Du die Datenschutzerklärung von Google:
Datenschutzerklärung von google

Hier findest Du die Datenschutzerklärung von dieser Website:
Datenschutzerklärung von Der Duft von Buechern und Kaffee